ein paar Worte zu Kriegsverbrechen

Durch | 3. April 2022

Vorab: Ich will mit diesem Text nichts vergleichen, relativieren sondern die Unfassbarkeit des Krieges an sich aufzeigen.

Aktuell wird viel über Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg berichtet. Empörungs- und Sanktions-Verschärfungs-Aussagen werden getätigt. Mit Verlaub ich halte das für scheinheilig. In jedem Krieg geschehen die so genannten Kriegsverbrechen. Das ist Bestandteil eines Krieges. Eine Armee kann gar nicht kämpfen wenn die Soldat:innen nicht so konditioniert werden, dass sie Dinge tun, die als Kriegsverbrechen gelten. Das gilt für alle Armeen egal ob sie zu den „Guten“ oder zu den „Bösen“ gehören. Ein furchtbares Beispiel gefällig?

Eine „gute“ westliche Einheit in Afghanistan – in dieser Einheit mussten Neulinge Gefangene als Aufnahme-Ritual erschießen. Nachstehend ein Zitat aus dem Untersuchungsbericht und die Quelle zum Herunterladen des Berichts:

… different Special Operations Task Group rotations, the Inquiry has found that there is credible information that junior soldiers were required by their patrol commanders to shoot a prisoner, in order to achieve the soldier’s first kill, in a practice that was known as ‘blooding’. This would happen after the target compound had been secured, and local nationals had been secured as ‘persons under control’. Typically, the patrol commander would take a person under control and the junior member, who would then be directed to kill the person under control. ‘Throwdowns’ would be placed with the body, and a ‘cover story’ was created for the purposes of operational reporting and to deflect scrutiny. This was reinforced with a code of silence.

https://afghanistaninquiry.defence.gov.au/sites/default/files/2020-11/IGADF-Afghanistan-Inquiry-Public-Release-Version.pdf

In Armeen – vor allem in kämpfenden – verschiebt sich der so genannte Referenznahmen, in dem Taten bewertet werden. Der Rahmen verschiebt sich zwangsläufig und ermöglicht nahezu unfassbare Gräueltaten. Das ist ein Merkmal aller kämpfenden Armeen. Alle, die an dieser Aussage zweifeln, sollten das Buch „Soldaten“ lesen. Es ist eine wissenschaftliche Studie die in großen Teilen auf unbemerkt aufgenommen Gesprächen gefangener Soldaten basiert. Ein eher harmloses Zitat aus diesem Buch:

Vieles von dem, was an Kriegverbrechen in der nachträglichen Betrachtung grausam, regellos und barbarisch erscheint, gehört zum Referenzrahmen des Krieges. Aus „Soldaten: Protokolle vom Kämpfen,Töten und Sterben von Sönke Neitzel und Harald Welzer“

In diesem Buch wird auch ein deutscher Soldat des zweiten Weltkriegs zitiert, der unter anderem folgendes schreibt:

Wir waren uniformiert. Nicht nur ungewaschen, unrasiert, verlaust und krank, auch seelisch verkommen, nichts als eine Summe von Blut, Eingeweiden und Knochen. Unsere Kameradschaft entstand aus zwingender Abhängigkeit zueinander, dem Zusammenhausen auf engstem Raum. Unser Humor wurde aus Schadenfreude, Galgenhumor, Satyre, Zoten, Bissigkeit, Wutgelächter und einem Spiel mit Toten … geboren (… = Auslassung grausamer Details). Dass wir Soldaten waren, genügte zur Rechtfertigung von Verbrechen und Verkommenheit und genügte als Basis einer Existenz in der Hölle.

Die Hölle ist die Normalität des Krieges. Oben und hier habe ich einen Bericht der ARD verlinkt. Im Text werden viele Grausamkeiten genannt, es fällt schwer den ganzen Text zu lesen – es ist kaum erträglich und dennoch normal in einem Krieg – so funktioniert Krieg. Das Entsetzen ist Alltag im Krieg. Das was der deutsche Soldat aus dem zweiten Weltkrieg mit dem „Spiel mit Toten“ beschrieb passierte auch in Afghanistan (Totenschädel Skandal 2006) und mit Sicherheit auch jetzt in der Ukraine. Krieg ist unmenschlich und Soldaten werden durch die Umstände gezwungen unmenschlich zu handeln.

Zurück zum Vorab: Die grundsätzlich vorhandene Unmenschlichkeit des Krieges sollte bewusst sein – das Reden über Kriegsverbrechen verschleiert die Tatsache, dass ein Krieg ein Verbrechen an der Menschlichkeit an sich ist. Langfristiges Ziel und Vision der Politik sollte eine Gesellschaft und ein internationales Zusammenleben sein in dem Armeen nicht mehr gebraucht werden.

Epilog: Ich habe mir auch das Bild des verlinkten ARD-Artikels angesehen. Es zeigt eine Straße in der offensichtlich viel gekämpft wurde. Ausgebrannte gepanzerte Fahrzeuge sind zu sehen. Ich sehe vor meinem geistigen Auge junge Soldaten:innen, die in diesen Krieg geschickt wurden. Sie wissen möglicherweise nicht einmal genau worum es geht. Sie werden geschickt um einen Vorort der Hauptstadt des Feindes einzunehmen. Sie sitzen seit Tagen im Panzer zusammengepfercht, ihr Panzer wird getroffen, sie verbrennen. Wofür? Für die Machtfantasien ihrer Führung? Wenig später kommt es zum Rückzug, die Überlebenden schießen auf alles was sich bewegt und hinterlassen das im Text beschriebene Inferno. Am Ende verlieren alle.

Die Antwort darf nicht sein, sich für den nächsten Krieg zu rüsten.

P.S. keine 10 Minuten nach dem Schreiben des Textes lese ich eine Eilmeldung mit folgendem Titel „MILITÄRISCHE LAGE: Ukrainische Truppen säubern Region nördlich von Kiew“ SÄUBERN !!! – das ist das was ich oben mit dem verschieben von Referenzrahmen meine. Wenn die ukrainischen Truppen auf versprengte russische Einheiten treffen wird möglicherweise die Genfer Konvention nicht mehr eingehalten.

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